Donald Trumps Rendezvous mit der Geschichte

Donald Trump / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: tiburi; https://pixabay.com/de/illustrations/donald-trump-politiker-amerika-1547274/ Donald Trump / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: tiburi; https://pixabay.com/de/illustrations/donald-trump-politiker-amerika-1547274/

Kugeln, Blut und eine gereckte Faust. Donald Trump, der 45. Präsident der USA, wird durch den Anschlagt auf sein Leben zur Ikone.

Bei der Theatervorstellung am Abend des Karfreitags 1865 genoss Präsident Abraham Lincoln den Sieg über die Konföderierten im amerikanischen Bürgerkrieg. Auch seine Wiederwahl im. November 1864 war ein Triumph – er war auf dem Zenit seiner Macht.

Der Theaterabend endete für Lincoln in einem Desaster. Aus dem Hintergrund stürzte ein Mann mit einem Revolver in die Loge des Präsidenten und schoss mehrere Kugeln auf ihn ab. Schwer verwundet erlag Lincoln am nächsten Tag seinen Verletzungen. Es war das erste Attentat auf einen US-Präsidenten, dem noch weitere folgen sollten. Die noch nicht wieder versöhnte Nation war geschockt, seine Republikaner führungslos. Viele Zeitungen sahen im 16. Präsidenten ein Werkzeug göttlicher Vorsehung, das den Anspruch der jungen Macht als „God‘s own country“ unterstrich. 159 Jahre später wiederholt sich die Geschichte, zumindest zum Teil.

Attentate und ihre Folgen

Die Schüsse dieser Tage in Pennsylvania gegen Donald Trump reihen sich ein in die großen Attentate der Geschichte. Das Ereignis birgt den Stoff für eine Heldenerzählung, die für den amerikanischen Geschmack nur mit den Kugeln auf Lincoln und in Dallas auf JF Kennedy mithalten kann. Amerikaner lieben solche Geschichten. Sie sind Entertainment, was unentbehrlich für alle Bereiche der US-Gesellschaft ist. Jedoch sind sie noch mehr: Die Selbstvergewisserung eines jeden einzelnen Amerikaners, zum auserwählten Volk Gottes zu gehören.

Trumps Inszenierung auf dem Nominierungsparteitag der Republikaner in Milwaukee glich der eines Messias. Er selbst sah die Vorsehung im Spiel, den göttlichen Fingerzeig, der ihn rettete und damit die ganze Nation. Aus der Familie Trumps orakelten einige, dass außer Gott ihn noch die erste Frau des Ex-Präsidenten, Ivana Trump, vom Himmel herab beschützte. Seine Fans drapierten ihr rechtes Ohr mit einem ähnlichen Pflaster wie das ihres Helden. Mehr Verehrung geht kaum noch.

Was auf Europäer mindestens skurril anmutet, ist für Trumpisten ein Symbol, um sich mit ihrem Idol zu identifizieren, zu vereinigen. Trump gab sich auf dem Parteitag ungewöhnlich versöhnlich. Er wolle das Land wieder zusammenführen, ein Präsident für alle Amerikaner und nicht nur für die eine Hälfte sein. Hat ausgerechnet er Kreide gefressen?

Raus aus dem Elend

Ganz sicherlich nicht. Er mag noch unter dem Eindruck des Mordanschlags gegen ihn gestanden haben, aber dass er ein Damaskus-Erlebnis durch die Schüsse hatte, darf bezweifelt werden. Trump gibt zumindest für die Zeit des Wahlkampfs den „good guy“ und überlässt die Abteilung Attacke seinem Kandidaten für die Vize-Präsidentschaft, JD Vance. Ein kluger Schachzug, den jungen Senator aus Ohio auszuwählen. Er ist der personifizierte amerikanische Traum: von ganz unten in die Champions League der US-Politik.

Vance stammt aus einer zerrütteten Familie. Seine Mutter, drogenabhängig und arm, versuchte, dem Sohn eine bessere Zukunft zu bieten. Es ist Vance gelungen, sich durch Fleiß, Hartnäckigkeit und einer Portion Glück aus seinem alten Milieu zu befreien. Seine Erfahrungen hat er in dem internationalen Bestseller „Hillbilly-Elegy“ beschrieben, der ihn bekannt machte.

Hillbillies sind ein wenig schmeichelhafter Ausdruck für all jene Amerikaner, die oft in prekären Verhältnissen auf dem Land leben. Kaum Bildung, oft ohne Schulabschluss, Hilfsarbeiter oder arbeitslos. Drogen und Alkohol bestimmen häufig das Leben, und die in den USA grassierende Fentanyl-Krise schlägt in diesem Milieu voll zu.

Vances Mutter ist so ein Beispiel, die mit synthetischen Opiaten ihr tristes Leben zu betäuben versuchte. Sie hat es raus aus dem Drogen-Elend geschafft und ist clean, was die Regie des Parteitags emotional einfing. Vance richtete sich in seiner Bewerbungsrede an seine in der ersten Reihe sitzenden Mutter. Er nahm sie als Beispiel, dass jeder Amerikaner es wieder auf den richtigen Weg schaffen kann. Mutter Vance sah umflorten Blickes zu ihrem Sohn auf, der ebenfalls sehr bewegt war. Alle im überfüllten Auditorium waren bewegt, Trump eingeschlossen, die Tränen standen vielen in den Augen.

Wieder so eine typische amerikanische Botschaft: das „Comeback kid“ – straucheln darfst du, aber du musst auch immer wieder aufstehen. Aus Zeugnissen zu den Kreuzzügen ist bekannt, dass die Chronisten betonten, dass bei den Gottesdiensten vor Abreise der Kreuzfahrer viel geweint wurde. Der Parteitag der Republikaner stand hier in bester Tradition.

Was will der Vize-Kandidat?

Vance‘s politisches Programm ist alles andere als weinerlich, es ist knallhart. Die Arbeitsteilung mit seinem Chef sieht für ihn klar vor: Kämpfer für die einfachen Arbeiter und Bauern, für die, denen das Leben nicht gut mitspielt, die aber wieder aufstehen wollen. Vance ist durch seine Herkunft für diese Menschen eine glaubwürdige Identifikationsfigur, die den Kontrast zur abgehoben wirkenden Partei Joe Bidens darstellt.

Vance zeigt außerdem ein großes Interesse an der Außenpolitik. Als Senator besuchte er die Münchner Sicherheitskonferenz und übte kräftige Kritik an der Ampel-Regierung: zu geringe Anstrengungen in der Verteidigung, zu wenig strategisch in der Außenpolitik und ein Land, das systematisch deindustrialisiert wird. Rote Karten für Scholz, Habeck und Baerbock!

Deals um jeden Preis?

Bereits in Trumps erster Amtszeit schoss sich der Präsident auf Deutschland ein. Im Kern lautete die Kritik, dass die Deutschen sicherheits- und exportpolitisch auf Kosten der USA lebten. Für die Bundesregierung drohen mit „Trump 2“ ungemütliche Zeiten – ganz egal, wer gerade in Deutschland regiert. Einen Vorgeschmack hat Vance auf dem Parteitag geboten: Fast schon kreuzzüglerisch gingen Trump und sein Vize gegen Berlin vor.

Und überhaupt Europa – für beide Kandidaten weltpolitisch eine Randerscheinung. Vance hat in Interviews deutlich gesagt, dass ihn der Krieg in der Ukraine nicht interessiert. Das Problem sollen die Europäer gefälligst selbst lösen. Vielleicht lässt sich ein nächster Präsident Trump noch herab, mit Putin einen Deal für die Ukraine auszuhandeln.

Anschließend richten sich seine Augen auf das für die USA so wichtige geopolitische Spielfeld Ostasien. Für Trump ist nur China den USA ebenbürtig als Konkurrent, und hier will er die großen Deals machen. Ein Geschäft sollte immer allen Partnern nutzen. Ob das dem Dealmaker Trump tatsächlich gelingt und ob er es im Falle Chinas ernsthaft will? Für Europa will er es nicht, es ist ihm mehr oder weniger egal.

Ähnlich könnte es der NATO unter einer zweiten Präsidentschaft Trumps ergehen: überflüssig! Für die Europäer wäre ein Rückzug der USA aus ihren Angelegenheiten, die Chance selbstbestimmt eine neue Sicherheitsarchitektur aufzubauen. Trump als Katalysator für eine europäische Souveränität und dann zusammen mit den Russen? Viele Fragen sind offen bei einer möglichen zweiten Amtszeit Trumps. Aber eines ist klar: Er dürfte ungehemmt sein Programm durchsetzen wollen, da eine dritte Amtszeit derzeit verfassungsrechtlich nicht möglich ist.

Trumps Hassliebe

Apropos Deutschland und Trump. In seiner ersten Präsidentschaft wollte er den Heimatort seines Großvaters väterlicherseits, das pfälzische Weindorf Kallstadt, besuchen. Doch sowohl die Merkel-Regierung wie die rheinland-pfälzische Landesregierung hintertrieben den Plan. Eine dumme Sache, da nicht so oft ein Staatsoberhaupt der USA den deutschen Wurzeln nachspüren möchte. Es geht den Amerikanern immer auch um Emotionen, und die verbinden sie stark mit der Familie und Heimat im weitesten Sinne. Für bessere deutsch-Trumpsche Beziehungen sollte bei einer zweiten Präsidentschaft Trumps ein Besuch in der Pfalz obligatorisch sein.

In einer unterhaltsamen Dokumentation, „Die Kings von Kallstadt“, geht eine Regisseurin aus dem Ort den Spuren der Trumps und einer zweiten US-Dynastie aus dem 1200-Seelenort, der Ketchup-Familie Heinz, nach. Darin sieht man einen Donald Trump, der sich zu seinen deutschen Wurzeln bekennt: „It’s good to have german blood.“ Dieses Rendezvous mit der Geschichte sollte sich künftig keine Bundesregierung entgehen lassen.

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Rainer
Rainer
1 Monat her

Was mich an diesem Artikel etwas stört ist, dass man so sicher ist, was Trump in Bezug auf Europa und speziell Deutschland will. Ich denke, es wird ihm klar sein, dass die USA nicht auf Dauer mit über 900 Militärpräsenzen in der ganzen Welt agieren kann. Der Trick, sich dies von den Ländern, in denen sich diese Präsenzen befinden, dafür zahlen zu lassen, funktioniert auch immer weniger. Und wäre es denn wirklich so schlimm, wenn sich die USA mit ihren Militärpräsenzen weitestgehend aus Deutschland zurückziehen würden? Glaubt denn ein intelligenter Mensch wirklich, dass Russland, das größte Land der Erde, einen… Read more »

fufu
fufu
1 Monat her

„Bereits in Trumps erster Amtszeit schoss sich der Präsident auf Deutschland ein. Im Kern lautete die Kritik, dass die Deutschen sicherheits- und exportpolitisch auf Kosten der USA lebten…“ Trump will die NATO abschaffen, seine Truppen aus Deutschland abziehen? Fuer die Deutschen waere dies die Chance ihres Lebens, haette Deutschland eine Regierung die deutsche Interessen vertritt… besser heute als morgen. Natuerlich will er dies nicht. Deutschland soll weiter und noch mehr ueberteuerte und nutzlose Ruestungsgueter kaufen, ueberteuertes Gas, Unterhaltskosten der NATO-Infrastruktur, Lizenzen fuer schrottige Software bezahlen, Kriegsdividenden deutscher Firmen an die angelsaechsische Finanzindustrie ueberweisen….am besten noch dazu deutsche Truppen an die… Read more »

fufu
fufu
Reply to  fufu
1 Monat her

Natuerlich nicht nur Deutschland, alle Vasallen, die ganze EU, Taiwan, Japan, Suedkorea, sollen fuer den „wertvollen Schutz“ der Amis bezahlen. Dass dieser Kriegstreiber ihr groesstes Risiko ist scheint schwer zu verstehen.

Nathan
Nathan
1 Monat her

Vor 8 Jahren galt es, durch Trump die kriegerische Clinton zu verhindern. Was für ein Typ Trump (und die hysterische amerikanische Gesellschaft ganz allgemein) ist, haben wir erlebt und sehen es auch heute wieder. Sein Vize ist der aalglatte typisch amerikanische berechnende Kandidat, durchaus das, was die US-Mentalität braucht. Die auf sich selbst hereingefallenen Demokraten stehen nach dem heutigen Aus von Biden auf verlorenem Posten. Wie in GB, Frankreich und den USA zeigt sich das verheerende Ergebnis des Mehrheitswahlrechtes. Ohne Alternative.

fufu
fufu
1 Monat her

Wird die Geschichte von einzelnen Personen beeinflusst… nein, laecherlicher Personenkult. Haette Hitler den Krieg gegen die Sowjetunion gewonnen… die Globalisierung haette einen Schub erhalten. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben, wir haetten nicht nach WW1 und WW2 jetzt WW3.

Wolfgang Wirth
Wolfgang Wirth
Reply to  fufu
1 Monat her

Sie irren.

„Wird die Geschichte von einzelnen Personen beeinflusst?“
Ja.
Nicht nur, aber zweifellos auch.

Es ist ein zwar seit Jahrzehnten häufig publizierter, aber letztlich unzutreffender Sachverhalt, dass herausragende Einzelindividuen in der Geschichte eine ganz untergeordnete Rolle spielen würden.
Diese irrige Vorstellung hat viel mit dem marxistischen Denken hinsichtlich der Wirkungsmacht von Kollektiven und der unangemessen großen Bedeutung der Soziologie in der heutigen Zeit zu tun.
Vermutlich ist bereits Lenin ein kaum zu widerlegendes Gegenbeispiel.

fufu
fufu
Reply to  Wolfgang Wirth
1 Monat her

Nein, der Lauf der Geschichte wird ausschliesslich von technologischen Veraenderungen und hierfuer noetigen Resourcen beeinflusst. Was hat Lenin denn langfristig bewirkt ?

Wolfgang Wirth
Wolfgang Wirth
Reply to  fufu
1 Monat her

Nein, Sie irren sich, und mit Ihrem „ausschließlich“ sogar noch mehr. Ich weiß: Der Streit um diese Frage ist alt, und für jeden Linken von vornherein schon beantwortet. Das ist aber ein Fehler, egal wie viele Leute ihn verkünden oder in wie vielen Büchern er steht. Es gibt nicht oft, aber immer mal wieder, tatsächlich große Einzelne, die die Entwicklung in besonderer Weise durch ihre ganz persönlichen Eigenschaften beeinflussen und auch in eine unerwartete Richtung Richtung bewegen könnenoder auch eine Entwicklung dramatisch beschleunigen können. Ohne die besonderen persönlichen Charakteristika von beispielsweise Alexander d.Gr., Napoleon, v. Bismarck, Lenin oder Hitler wäre… Read more »

fufu
fufu
Reply to  Wolfgang Wirth
1 Monat her

Loesen Sie sich von Ihrem ideologischen Schema, die Frage hat mit links nichts zu tun. Ich wiederhole… l a n g f r i s t i g hat keiner Genannten einen Einfluss. Die Vorstellung ist uebrigens nicht Jahrzehnte sondern ueber 2000 Jahre alt (die Stoik).

fufu
fufu
Reply to  Wolfgang Wirth
1 Monat her

Natuerlich macht das Ganze einen Sinn.. waehlen Sie diesen, waehlen Sie jenen… so aehnlich wie im Casino, die Bank gewinnt immer.

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