Maaßens Werte Union im 1-Prozent-Keller

Wahlplakat / Werte Union / Maaßen / Quelle: Wikipedia, public domain: By Punktional (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons; https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AWahlplakat.JPG Wahlplakat / Werte Union / Maaßen / Quelle: Wikipedia, public domain: By Punktional (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons; https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AWahlplakat.JPG

Die Werte Union von Hans Georg Maaßen will die wahre CDU sein und Bündnisse mit der AfD. Doch im ostdeutschen Wahlkampf dümpelt Maaßens Partei vor sich hin.

Ich will den Menschen zeigen: Es gibt eine Alternative zu Bodo Ramelow. Albert Weiler ist der Spitzenkandidat und wird die Fraktion im Landtag anführen. Ich bin dann der Ministerpräsidentenkandidat.“ Im April beanspruchte Hans Georg Maaßen vollmundig das Amt des Thüringer Regierungschefs für sich. Maaßen tritt in Thüringen aus wahlrechtlichen Gründen selbst nicht an, sieht sich aber als Königsmacher für die künftige Landesregierung.

Im März taxierte ein von seiner Partei in Auftrag gegebene Umfrage sie bei 1 Prozent. In den letzten Monaten sahen die Werte nicht besser aus, weder in Thüringen noch in Sachsen oder Brandenburg. Die Werte Union wird von den Demoskopen unter Sonstige einsortiert. Wie kommt Maaßen darauf, eine Rolle bei Koalitionen zu spielen?

Spitzenbeamter sucht Charisma

Otto Schily hat in seiner Zeit als Bundesinnenminister Maaßens Talent für Organisation erkannt und ihn als einen der besten Beamten seines Hauses bezeichnet. Er hat ihn auch seinem Nachfolger Wolfgang Schäuble ans Herz gelegt, der den dienstbeflissenen Beamten weiter förderte. Den Höhepunkt seiner Laufbahn erreichte er mit dem Amt des Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz. Danach jedoch stürzte er tief.

Auslöser waren Maaßens Bemerkungen, dass es sich bei den Ausschreitungen von Chemnitz 2018 nicht um Hetzjagden gegen Flüchtlinge gehandelt hätte. Die Empörung bei den Parteien von SPD über Grüne bis Union war groß. So äußerte sich beispielsweise der damalige CDU-Ministerpräsident Armin Laschet, der Fall Maaßen sei an Absurdität nicht zu überbieten.

Maaßen selbst goss noch Öl ins Feuer, indem er seine Einschätzung zu Chemnitz bekräftigte und in der SPD linksradikale Kräfte ausmachte. Für Bundesinnenminister Seehofer war das Tischtuch damit zerschnitten und als Maaßens oberster Dienstherr sah er das Vertrauensverhältnis zerrüttet. Der einst so gelobte Beamte ohne Fehl und Tadel wurde in die Wüste geschickt.

Zu Spannungen mit Seehofer kam es schon länger, da Maaßen deutlich seine Ablehnung zu Merkels Flüchtlingspolitik äußerte. Aus dem Inbegriff eines sachlichen, integren Beamten hatte sich ein widerspenstiger Politiker entwickelt, der keinen Hehl aus seiner Verachtung für die Politik der Kanzlerin machte. Sein Weg in die Werte Union, die sich durch Merkels Linkskurs in der Union gebildet hatte, war die logische Folge. Avancen seitens der AfD durch Alexander Gauland und Jörg Meuthen lehnte er ab. Maaßen trieb damals noch die Hoffnung um, dass er mit der Werte Union die CDU wieder auf konservativen Kurs bringen könne.

Doch auch mit Friedrich Merz als Unions-Chef sind die Werte Unionisten enttäuscht worden. Der Rechtsruck bleibt aus, die Brandmauer zur AfD steht und die Grünen gelten für Merz als potenzieller Koalitionspartner. Aus Verärgerung von der CDU nicht ernst genommen zu werden, gründete Maaßen und eine Handvoll Getreuer die Werte Union Anfang des Jahres als Partei. Maaßen wollte es allen zeigen, dass er ein fähiger Politiker ist und sich an seiner alten Liebe CDU rächen. Ein Umstand, den ihn mit Alexander Gauland verbindet, der nicht allein aus programmatischen Gründen zur AfD gestoßen ist.

Doch der Gründungsakt missriet gründlich, als Maaßen auf einem Ausflugsschiff auf dem Rhein die neue Partei aus der Taufe hob. Unter Begleitschutz von kräftigen Männern mit Sonnenbrillen wirkte die Veranstaltung etwas zwielichtig – nicht unbedingt gut bürgerlich. Es gab keine Pressekonferenz, und die versammelten Journalisten ließen Maaßen und sein Tross links liegen. Unabhängig von dem misslungenen Auftakt haben sich die führenden Medien schnell entschieden, die Werte Union ihrerseits links liegen zu lassen. Bis auf wenige kurze Meldungen erscheint über die Partei nichts Relevantes. Anders als die AfD erhält die Werte Union nicht einmal das Privileg, vom liberalen Mainstream als gefährlich und undemokratisch eingestuft zu werden. Ist sie so irrelevant?

Maaßens Partei eingequetscht von der Konkurrenz

Die Werte Union hat zwei entscheidende Probleme: der Mann an der Spitze und das Programm. Maaßen mag ein Top-Beamter gewesen sein, aber darin liegt für eine Führungsrolle in einer Partei ein Nachteil. Er zündet nicht! Er zündet nicht vor großem Publikum auf Marktplätzen, denn er redet monoton, und dabei gehen seine Inhalte weitgehend unter. Mit seinem Dreiteiler, der stets korrekt geknoteten Krawatte und der Nickelbrille wirkt er durch und durch nach dem strebsamen Beamten, der er war.

Die Bürger wollen aber Macher-Typen sehen, die zumindest so tun, als ob sie volksnah wären. Politiker müssen sich medial und im Kontakt mit den Wählern verkaufen lassen. Perfekt schaffen das Markus Söder oder Sarah Wagenknecht. Sie vor allem ist die Antithese zu Maaßen. Die BSW-Chefin hat sich über Jahrzehnte in Talk-Shows und mit ihren Büchern zu einer Marke aufgebaut. Sie wirkt zwar nicht volkstümlich, aber inzwischen nahbar, was sicherlich mit dem Einfluss ihres Mannes Oscar Lafontaine zusammenhängt. Er und Gerhard Schröder spielten virtuos auf der Klaviatur der Emotionen und hatten die Medien noch im Griff. Wie hat es der Altkanzler in seiner Amtszeit auf den Punkt gebracht: Ich brauche zum Regieren BILD, BamS und Glotze.

Wagenknecht zündet allerdings anders als Maaßen auf den Podien und Marktplätzen, was sie wiederum mit Alice Weidel gemein hat. Die BSW-Frontfrau hat neben ihrem politischen Talent bereits jahrzehntelang Politik gemacht – Maaßen wirkt dagegen wie ein Lehrling, der verzweifelt nach seinem Gesellenstück sucht. Bei den Landtagswahlen im September will er es finden, doch neben den persönlichen Hürden gibt es noch das Problem des Programms. Darin findet sich viel AfD-Inhalt wie bei Migration, innere Sicherheit oder Wirtschaft. Mehr oder weniger der einzige Unterschied besteht in einer pro-westlichen Ausrichtung, die keinen Dexit oder Nato-Austritt vorsieht.

Damit aber punkten AfD und BSW im Osten. Wagenknecht hat die Außenpolitik, im Kern die Haltung möglicher Koalitionspartner zum Ukraine-Krieg und dem Umgang mit Russland, für unverzichtbar für eine Regierungsbeteiligung erklärt. Das ist ein Novum, dass Länderregierungen über Wohl und Wehe der Außenpolitik zustande kommen sollen. Das BSW sieht nach letzten Umfragen als der Königsmacher im Osten aus. Das, was Maaßen im April für sich und seine Partei reklamierte, schafft Wagenknecht im Turbo. Wieso sollten die Wähler in Brandenburg, Sachsen und Thüringen die schlechte Kopie wählen, wenn sie die AfD oder eben auch das BSW als Originale haben können?

Wagenknechts Programm bietet sogar noch deutlichere Abgrenzungen in der Sozialpolitik zur AfD als das, was die Werte Union anbietet. Maaßen ist nicht nur im 1-Prozent-Dauertief, sondern er droht zwischen den Platzhirschen AfD, CDU und BSW zerrieben zu werden. Vor allem für junge Parteien braucht es Alleinstellungsmerkmale zur etablierten Konkurrenz: insbesondere durch eine charismatische Spitze oder durch Inhalte, die den Nerv der Wähler treffen. Idealerweise beides, was AfD und BSW miteinander verbindet.

Wir halten durch!

Aus der Werte Union ist zu hören, dass die Parteiführung sich auf Niederlagen einstellt. Die Partei soll circa 400.000 bis 700.000 Euro auf der hohen Kante haben, was nicht viel ist. Selbst bei wenigen Ausgaben für Geschäftsstellen und Materialkosten hat sie kaum finanziellen Spielraum. Man wolle bis zur Bundestagswahl 2025 durchhalten und hofft auf gute Ergebnisse im Westen, verlautet es aus dem Umfeld von Maaßen. Im Westen hat die Werte Union nur dann eine Chance, wenn sich die CDU weiter auf Koalitionen mit den Grünen einlässt und damit konservative Anhänger endgültig vergrätzt. Und denen die AfD zu verschattet ist. Dann vielleicht kommt die Maaßen-Partei aus dem Umfragekeller.

Bei ihren Mitgliederzahlen verhält es sich derzeit so wie beim BSW. Es werden nur wenige aufgenommen, und über den Anträgen heben oder senken Maaßen und Wagenknecht persönlich den Daumen. Das wirkt nach Sekte, aber beide haben Angst, die Falschen könnten dabei sein, wie sie das am Beispiel der AfD ausmachen.

Mit einem Treffen ist die Werte Union kürzlich doch noch in die Schlagzeilen geraten: Maaßen trifft Weidel zum Hintergrundgespräch. Es soll nicht das erste und nicht das letzte Mal gewesen sein. Aber wieso trifft sich die AfD-Chefin mit dem Vorsitzenden einer Splitterpartei? Will sie Brücken ins klassische konservative Lager bauen, falls ihre weitere Karriere stocken sollte oder die AfD doch verboten wird? Hofft Maaßen mit einem eventuellen Wechsel der prominenten Politikerin, seine Werte Union zu revitalisieren und mit der Charismatikerin die 5-Prozent-Hürde zu knacken?

Die Wechsel von früheren AfD-Promis wie Frauke Petri oder Jörg Meuthen sprechen eine andere Sprache. Quo vadis Werte Union, die für sich beansprucht, die wahre Union und die bessere Alternative zur AfD zu sein? Die Antwort gibt es im September und wird zeigen, dass erfolgreiche Parteineugründungen die Ausnahme bleiben.

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