Weidel gegen Wagenknecht: Mehr als ein Duell

Boxhandschuhe / Duell Weidel gegen Wagenknecht / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: Andreas160578 https://pixabay.com/de/photos/boxen-boxhandschuhe-sport-1331470/ Boxhandschuhe / Duell Weidel gegen Wagenknecht / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: Andreas160578 https://pixabay.com/de/photos/boxen-boxhandschuhe-sport-1331470/

Welt TV weiß wie Quote geht. Nach AfD-Höcke gegen CDU-Voigt trafen AfD-Chefin Alice Weidel und BSW-Frontfrau Sahra Wagenknecht aufeinander. Mehr als ein Duell.

Mario Voigt stand die Abneigung gegen seinen Kontrahenten Björn Höcke in der TV-Debatte vor der Thüringer Landtagswahl buchstäblich ins Gesicht geschrieben: Er kann den AfD-Promi partout nicht ausstehen. Voigt rückte ihn in die Nähe faschistischer Umtriebe, wenn er vom „Nazi-Schloss“ fabulierte, womit das rechts-intellektuelle Denkzentrum um Götz Kubtischek im sachsen-anhaltinischen Schnellroda gemeint war. Weidel und Wagenknecht hingegen wirkten zueinander fast schon freundlich. Was spielt sich hinter den Kulissen ab?

Der Beelzebub braucht das Weihwasser

„Ich bin jemand, der sich dafür einsetzt, dass man mit der AfD fair umgeht“, betonte Wagenknecht, denn es gehe ihr um den Respekt von rund 20 Prozent Wählern. Das milde Lächeln von Weidel sprach Bände, und so ging es eine ganze Zeitlang zwischen beiden Frauen hin und her. Welt TV-Moderator Jan Philipp Burgard wollte diesen Kuschelkurs zwischen den Politikerinnen beenden und doch noch ein scharfes Duell heraufbeschwören. Weidel unterstellte Wagenknecht, sich der CDU in Thüringen und Sachsen mit ihrem BSW als Steigbügelhalter zur Macht anzudienen. Wagenknecht fand das fast schon ehrenrührig, was die AfD-Kanzlerkandidatin zurückwies „Das ist in keiner Form ehrenrührig.“

Weidel hatte sich wohl vorgenommen, in der Sendung so koalitionsfähig wie möglich daherzukommen. Im Schonwaschgang wollte sie den TV-Zuschauern und vor allem Sahra Wagenknecht die AfD-Politik verkaufen. Beim Leitthema der Alternative, Migration, beziehungsweise deren Abwicklung, ergaben sich feine Unterschiede zur BSW-Gründerin. Zwar wollen im Grundsatz beide das Gleiche: ein Ende der schlecht gesteuerten Einwanderung, wie sie seit 2015 läuft. Aber Weidels Partei möchte aber auf absehbare Zeit überhaupt keine Migration von außerhalb der EU nach Deutschland.

Das ist von Wagenknecht nicht zu hören, die dann zum Stein des Anstoßes kommt: Björn Höcke, dem Beelzebub der deutschen Politik! Ihr werde übel, wenn sie dessen Reden höre über den Umgang mit Migranten und die geforderte der AfD Remigration dieser Menschen. Natürlich ist das eine Anspielung auf das viel diskutierte „Geheimtreffen“ in Potsdam Anfang des Jahres, wo angeblich über die Remigration von Millionen Einwanderern gesprochen worden sein soll. Auch über jene, die integriert sind, was die Beteiligten an dem Treffen von sich wiesen. Jedoch hängt dieser Vorwurf Alice Weidel wie ein Mühlstein um den Hals.

Bei den Themen zur Sanierung der Wirtschaft oder bei Arbeit und Soziales gibt es Unterschiede zwischen BSW und AfD – jedoch keine unüberbrückbaren Differenzen. Weidel möchte die Einhaltung der Schuldenbremse, da ist sie ganz Wirtschaftsliberale und nah bei CDU und FDP. Hingegen hält Wagenknecht nichts davon und spricht sich für schuldenfinanzierte Investitionen aus. Hier mantelte sich die überzeugte Linke heraus, die sie in der Wirtschafts- und Sozialpolitik immer noch ist. Allerdings soll sich das BSW bei den Sondierungen in den beiden östlichen Freistaaten genau in diesen Fragen gegenüber der Union kompromissbereit zeigen. Die soziale Marktwirtschaft wird nicht angetastet!

Kuscheln für den Frieden

Bei den außenpolitischen Themen ist Wagenknecht nicht kompromissbereit. Sie besteht auf einer Präambel in möglichen Koalitionsverträgen, dass Waffenlieferungen an die Ukraine beendet werden sollten, um zu einer diplomatischen Lösung des Kriegs zu kommen. Das sieht sie auch im TV-Zweikampf mit Weidel nicht anders. Thüringens Mario Voigt, Sachsens Michael Kretschmer und Brandenburgs Dietmar Woidke sind mit einem gemeinsamen Gastartikel in der FAZ gegenüber dem BSW in Vorleistung gegangen. Tenor: Diplomatie jetzt! Die Waffen nieder!

Wagenknechts Partei ist noch kein Jahr alt und wirkt wie die AfD zügig oder sogar noch zügiger auf die deutsche Politik. Bei der AfD die Migration, beim BSW der Frieden. Russland ist für beiden Parteien eine gemeinsame außenpolitische Klammer. Weidel und Wagenknecht sind sich einig, dass die Sanktionen gegen Moskau aufgehoben werden müssen. Daran sei wie bei fast allem, was in Deutschland derzeit schlecht läuft, die Ampel-Koalition Schuld: der Verzicht auf russisches Gas, die hohen Energiepreise, die Steuern, die vor allem die kleinen und mittleren Gehälter belasten und ganz allgemein können die Menschen nicht mehr von ihrer Hände Arbeit leben.

Auch die unsinnigen Ausgaben durch die Corona-Politik geißelt Wagenknecht, was ihr Weidel mit zustimmendem Nicken dankt. Selbst beim heiklen Thema des Kriegs zwischen Israel Hamas und Hisbollah näherte sich die AfD-Frau Wagenknecht an. Sie sei gegen Waffenlieferungen an Israel sekundierte Weidel Wagenknecht. Eine überraschend klare Aussage, die so von den AfD-Außenpolitikern bisher nicht zu hören war. Herrschte also die große Einigkeit zwischen den Spitzenfrauen in dem mit viel Tamtam angekündigten Duell?

Kommt die wahre GroKo?

Noch einmal wollte Moderator Burgard Würze in die Harmonie-Soße streuen: „Wie rechts ist Frau Weidel auf einer Skala von 1 bis 10?“, wollte er Wagenknecht in die Zange nehmen. „Vielleicht bei 6“, druckste sie als Antwort heraus. Goldene Mitte, tut keinem wirklich weh. Das gleiche Spiel für Alice Weidel: „Wie links ist Frau Wagenknecht?“ Dann lavierte die AfD-Frau lavierte vor sind hin: „Ich habe grundsätzlich mit Links- und Rechtsskalen Probleme. Ich finde an Frau Wagenknecht sehr gut, dass sie die Sachen sehr differenziert sieht. Ich glaube, sie hat ein sehr ausgewogenes Profil.“

Beide Frauen lächeln wieder milde vor sind hin. Beide sind zivilisiert miteinander umgegangen. Und beide ahnen, dass sie sich noch brauchen dürften. Das Fazit des TV-Gipfeltreffens ist glasklar: Hier sind einander zwei Seelenverwandte begegnet, die sich gegenseitig intellektuell schätzen. Wenn da nicht dieser Björn Höcke mit seinem engen Draht nach Schnellroda wäre. Sahra Wagenknecht hat Alice Weidel zwischen den Zeilen wissen lassen: Kappe diese Verbindungen, dann können wir künftig über eine echte Große Koalition reden – erst in den ostdeutschen Ländern und dann, wer weiß…Der Elefant namens Höcke steht weiter im Raum. Die Frage ist: Geht er, und wenn ja, wann?

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fufu
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2 Tage her

Meine Rede seit langem. Klare Verhaeltnisse, Hoecke soll eine eigene Partei gruenden, dann wird’s vielleicht was mit der „Grossen Koalition“ von BSW und AfD, was wuenschenswert waere.

Voltaire
Voltaire
Reply to  fufu
2 Tage her

Was wünschenswert ist, dass das Gemeinwohl vom Volk über dem Parteiinteressenwohl steht. Die Parteien sind das PROBLEM und nicht die LÖSUNG! So wie heute „Politik“ zelebriert wird, finde ich das – wohlwollend ausgedrückt – nur noch zum Expektorieren. Im Übrigen ist es so, dass ALLE im Bundestag und in den Landtagen vertretenen Parteien verfassungsfeindlich sind. Wäre dem nämlich nicht so, hätten wir gem. Art. 146 GG längst eine vom deutschen Volk beschlossene Verfassung. In einer gelebten Demokratie geht die Macht ausschließlich vom Volk aus, d. h. seine Volksvertreter und alle Staatsgewalten sind an deren Weisungen auf Aufträge gebunden. Ginge es… Read more »

fufu
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Reply to  Voltaire
1 Tag her

Das „Volk“ gibt es nicht sondern eine Masse mit unterschiedlichen Interessenlagen oder Meinungen insofern wird man auf absehbare Zeit Rapraesentanten der diversen Stroemungen im „Volk“ brauchen, und seien es Parteien. Das gleiche gilt fuer den Staat. Assurd und gefaehrlich wird es nur wenn die Parteien (wie derzeit die Altparteien) den Staat im eigenen und fremden Interesse kapern. Insofern ja, die Altparteien sind die groessten Verfassungsfeinde.

Nathan
Nathan
Reply to  fufu
12 Stunden her

Mittlerweile ist es doch so, daß ihr die Systemparteien noch mehr im Wege stehen in Bezug auf ihre Friedenspolitik, die sie unverhandelbar fest verankert wissen will. Sie muß sich ja nun entscheiden.

fufu
fufu
Reply to  Nathan
9 Stunden her

Friedenspolitik UND Ablehnung des ethnischen Staates sind fuer das BSW unverhandelbar. Solange Hoecke und andere Nostalgiker Teile der AfD dominieren kann diese hoechstens mit der CDU koalieren. Hoecke soll doch eine eigene Partei gruenden… was er nicht tun wird … 5% minus x ?

Im uebrigen sehen sie die Realitaet eines ethnisch orientierten Staates in Realzeit bei Israel. Wagenknecht ist doch nicht so dumm sich mit solchen Elementen einzulassen.

Nathan
Nathan
12 Stunden her

Heute steht in der Presse, daß die NATO ein Hauptquartier in Rostock, also in Ostdeutschland, errichten will. Was sagt Wagenknecht dazu, wo sie doch Militär im Osten kritisch sieht und genau jetzt solche kriegerischen Erweiterungen stattfinden, ungeachtet ihrer BSW-Grundwerte für Koalitionen? Da bleibt doch nur eine Koalition mit der AfD in Thüringen übrig, um ein Zeichen zu setzen. Denn der „Westen“, das West-Regime, und die NATO gehen unbeirrt ihren Weg (gegen Rußland) weiter. Da kann sie doch gar kein Bündnis mit den Systemparteien schließen. Wann tritt bei ihr die logische Wende ein?

fufu
fufu
Reply to  Nathan
9 Stunden her

Friedenspolitik nach aussen ja, Hass und Hetze nach innen nein.

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